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Gute Ideen und die harte Realität

13.04.19

Gute Ideen und die harte Realität

Die zweite Fach-Veranstaltung, diesmal mit dem Thema „Klimaentlastung und Freiräume“, moderierte Kristina Oldenburg von der Firma „KOKONSULT“. Die Experten waren Andrea Georgi-Tomas, Geschäftsführerin „ee concept GmbH“, Prof. Dr. Constanze Petrow, Hochschule Geisenheim und Institut für Freiraumentwicklung, sowie Harald Hoeckner, Fachzentrum für Klimawandel und Anpassung des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie.

 

„In Marxheim gibt es keinen zentralen Platz“. Mit diesem Satz eröffnete der Stadtplaner Torsten Becker die Veranstaltung und erklärte, dass viele Freiflächen in Marxheim sehr trocken seien. Dabei zeigte er als Beispiel ein Bild der Drachenwiese vom Sommer 2018 (gut, da war bestimmt so einiges trocken) und stellte somit die vorhandene Qualität von Marxheim in Frage.

 

Zu dieser Überleitung stellte sich der erste Experte Harald Hoeckner vor. Eingeladen als Experte für Klima und Klimaschutz stellte er zwei wesentliche Probleme dar, mit welchen die Stadtplanung konfrontiert wird. Die steigende Temperatur und vor allem die Anzahl an heißen Tagen pro Jahr ist ein Problem. Verbunden damit auch der Niederschlag, der sich verändert und es vermehrt zu Starkregen kommt, der im geplanten Quartier abgeleitet werden muss. Als klares Statement setzte er voraus, dass die Klimaproblematik, in Zeiten des Klimawandels, bei der Entwicklung solcher Gebiete wesentlich sei. „Gebiete müssen mit Wasser leben und es nicht bekämpfen“, so Hoeckner. Metaphorisch beschrieb er, es müsse ganzheitlich grün und blau gebaut werden. Eine Anspielung darauf, dass wir Grünflächen und Wasserflächen benötigen, um die Lebensqualität zu erhalten. Als wichtigen Ansatz gab Hoeckner, dass auf jeden Fall darauf geachtet werden müsse, wie viele Flächen versiegelt werden und wie viel Platz dann überhaupt noch an Frei- bzw. Grünfläche vorhanden sei.

 

Prof. Dr. Constanze Petrow vertritt die Meinung, dass es einen Haufen schlechter Freiräume und Quartiere in der Region gäbe, da oftmals nur auf Desgin und nicht auf Funktionalität oder die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger geachtet wird. Sie sagt, es sei enorm wichtig, bei der Beauftragung des Planers darauf zu achten, welche Ziele und welche Konzepte dieser verfolge. Andernfalls könnte es zu stilistischen Anlagen aus schön ansehnlichem Sichtbeton kommen, wo sich am Ende dann doch keiner aufhält, da es schlicht und ergreifend weder ein funktionales Angebot ist, noch Schatten existiert und spielende Kinder nicht im Blickfeld der Eltern sind. Schlimmstenfalls kann man sich dort nicht einmal aufhalten, da im Sommer immense Temperaturen entstehen. Ihren informativen Vortrag beendete Sie mit Andegungen: „Eine Siedlung bauen, heißt noch lange nicht ein Quartier zu entwickeln. Räume gestalten vs. Orte schaffen. Nicht Ästhetik, sondern Gemeinschaft!“

 

Wesentlich ist auch, dass wir voraus denken müssen. Geplant wird jetzt, doch gebaut und bewohnt wird viele Jahre in der Zukunft. Wie bereits Herr Hoeckner ansprach, ist der Klimawandel ein wesentlicher Aspekt, mit dem sich die Planung beschäftigen muss. Diese Aussage stützt auch Andrea Georgi-Tomas, die heute schon das Ziel verfolgt, das Klima durch Bauen zu entlasten. Sie stellte neue Konzepte vor, die das Bauen und Wohnen nachhaltig gestalten sollen. Möglichkeiten dafür sind, u. a. andere Baustubstanzen zu verwenden, z. B. Holz oder Lehm, die die s.g. „graue Energie“, also die Energie, die beim Bau anfällt und CO2 ausstößt, verringern sollen. Oder Energie einzusparen durch veränderte Energie-Konzepte in den Immobilien, indem man z. B. Abwärme nutzt. Selbstverständlich sind die Investitionskosten für alternative Konzepte deutlich höher, jedoch sollen diese sich nach gewissen Jahren, z. B. durch Energieeinsparung amortisiert haben. Als weiteren essentiellen Punkt nannte sie, dass ohne funktionierendes Verkehrskonzept auch kein gutes Energiekonzept funktionieren kann. Aktuell ist das Thema Verkehr jedoch eines der größten Probleme in der Planung. Zudem müsse eine gute Bedarfsplanung und Zieldefinition für das neue Quartier ausgesprochen werden, wo sich jedoch die Politiker momentan noch nicht deutlich genug und widersprüchlich äußern.

 

Auf die Frage aus dem Publikum, wie es mit den Kosten für so ein „neudenkendes“ Quartier aussehe, konnte keiner der Experten und Stadtplanern eine Antwort geben. Zum jetzigen Zeitpunkt habe man zu wenige Referenzen, man wisse nur: Es sei sehr aufwändig.

 

Bei allen Kritiken zur ersten Fachdialog Veranstaltung und den Veranstaltungen davor, können wir sagen, dass die Veranstaltung „Klimaentlastung und Freiräume“ durchaus sehr informativ war. Die eingeladenen Experten zeigten die derzeitigen Klimaprobleme auf, stellten Lösungen vor, wie dem entgegengewirkt werden kann und kritisierten die Planung von vielen Neubauprojekten. Der direkte Bezug zu Marxheim 2 war, bis auf vereinzelte Fragen am Ende, allerdings auch bei dieser Veranstaltung eher gering. Wünschenswert wäre es gewesen, nach den genannten Informationen, Bezug auf das Gebiet zu nehmen. Überwiegend wurden die genannten Beispiele und Vorbilder nämlich in Großstädten umgesetzt. Inwieweit solche Konzepte auf Kleinstädte übertragbar sind, kann nicht belegt werden.

 

Zudem ist Nachhaltiges Bauen mit vielen Grünflächen vor allem auf solchen Flächen sinnvoll, die bereits VERsiegelt sind und mit entsprechenden Grünflächen in Gebieten wieder ENTsiegelt werden. Somit wird der Umwelt effektiv etwas zurückgegeben. Im Fall Marxheim 2 muss man ganz klar sagen: Egal wie man es dreht und wendet, hier wird der Natur etwas weggenommen! Und das lässt sich auch durch Nutzgärten auf Dächern nicht ausgleichen.

 

Viele der Maßnahmen könnten unserer Meinung auch bereits am jetzigen Bestand in Hofheim durchgeführt werden. Würde man solche Projekte subventionieren, anstatt hohe Summen in ein Neubaugebiet zu investieren, könnte: a) dem Leerstand entgegengewirkt und b) Hofheim umweltfreundlicher werden. Auch ohne Neubaugebiete.


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